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EU-weites Fahrverbot als Souvenir

"Wenn jemand so gefährlich fährt, dass ein EU-Mitgliedsstaat es für angemessen hält, seinen Führerschein zu entziehen, sollte es dieser Person nicht erlaubt sein, in einem anderen EU-Land zu fahren - das ist ein no-brainer, also eine Selbstverständlichkeit, im Hinblick auf die Verkehrssicherheit." So formulierte die EU- Kommissarin für Verkehr Adina Valean den Sinn und Zweck der neuen EU-Richtlinie, die am 06.02.2024 vom Europäischen Parlament in Straßburg angenommen wurde. Was soll sich für Autofahrer ändern?


Die bisherige Rechtslage

Bisher gilt: Verliert ein Fahrer seinen Führerschein aufgrund eines Verkehrsverstoßes, den er in einem anderen EU-Mitgliedsstaat begangen hat, als in welchem der Führerschein ausgestellt wurde, bleibt dieser Entzug in den allermeisten Fällen lediglich auf den Staat beschränkt, in welchem der Verstoß begangen wurde. Fährt man also beispielsweise in den Urlaub nach Italien und erhält aufgrund eines Verkehrsdeliktes ein Fahrverbot, kann man sich in Deutschland oder in anderen EU-Staaten in aller Regeln trotzdem noch hinters Steuer setzen. Nur der Staat, der den Führerschein ausgestellt hat, kann diesen auch dauerhaft entziehen. In anderen Staaten kann er nur in Verwahrung gegeben werden. Laut EU- Verkehrskommissarin Valean bleiben dadurch 40 % der Verkehrsdelikte, die von Fahrern mit ausländischen EU-Führerscheinen begangen werden, ungeahndet.


Die Richtlinie

Das soll sich nun ändern. Die Richtlinie sieht vor, dass Fahrverbote ab einer Länge von einem Monat in Zukunft EU-weit gelten sollen. Die Abgeordneten fordern in diesem Zuge, dass bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 km/h der Führerschein entzogen werden soll, in Wohngebieten bereits ab einer Überschreitung von 30 km/h. Des Weiteren wurde dafür gestimmt, das Fahren ohne gültigen Führerschein in die Liste der schwerwiegenden Verkehrsverstöße aufzunehmen, wodurch automatisch Informationen zum Führerscheinentzug mit dem Staat der Ausstellung der Fahrerlaubnis geteilt werden würden.

Bei den Details gehen die Meinungen jedoch noch auseinander. So fordern einige, dass in der EU ein Punktesystem nach deutschem Vorbild eingeführt werden solle. Andere wiederum lehnen diesen Gedanken ab und fordern eine Beschränkung der Neuerungen auf schwere Verkehrsverstöße, welche Leben gefährden.


"Vision Zero"

Die Richtlinie ist dabei Teil des Maßnahmenpakets der EU-Kommission zur Straßenverkehrssicherheit, mit dem Ziel, die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu verbessern, um bis 2050 keine Verkehrstote mehr in der EU zu haben ("Vision Zero").


Ausblick

Mit der Annahme der Richtlinie hat das EU-Parlament seine erste Lesung abgeschlossen. Der Rat der EU hat jedoch bislang seinen Standpunkt noch nicht festgelegt, weshalb die Arbeit an der Umsetzung der Richtlinie erst nach den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 fortgesetzt wird. Es stellen sich hierbei noch einige juristische Fragen, z. B. weil in den Mitgliedstaaten gleiche Verkehrsverstöße nach wie vor unterschiedlich behandelt werden. Insofern wird es wohl noch ungefähr zwei Jahre dauern, bis die Richtlinie von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden wird. Jedoch gilt: Wer nicht aufpasst, kann aus dem Urlaub in Zukunft neben allerlei schönen Souvenirs eben auch ein Fahrverbot mit nach Hause bringen.



Bickenbach, den 27.02.2024

Mitgeteilt von
WissMit Sven Bickel
Dingeldein • Rechtsanwälte

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