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Die Betriebsvereinbarung über Zielvereinbarungen: Worauf sollten Betriebsräte achten und wie kann eine inhaltliche Gestaltung dieser aussehen?

Zielvereinbarungen sind ein wichtiges Instrument des heutigen Arbeitsalltags. Unternehmen bedienen sich dieser, um ihren wirtschaftlichen Erfolg langfristig voranzutreiben und ihre Mitarbeiter dazu zu motivieren, weiterhin mit vollem Arbeitseinsatz einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten zu wollen, denn auch für Arbeitnehmer bedeuten Zielvereinbarungen einen geldwerten Mehrwert, sofern diese in einem realistischen Umfang bestehen.

Nach § 87 I Nr. 10 BetrVG hat jedoch grundsätzlich der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bezüglich der strukturellen Ausgestaltung der betrieblichen Lohngestaltung und somit auch bezogen auf etwaige Zielvereinbarungssysteme. Diese mit dem Betriebsrat geschlossenen kollektivrechtlichen Zielvereinbarungen bilden dann die Grundlage für alle zukünftig im Unternehmen geschlossenen Zielvereinbarungen.

Vor dem Hintergrund dieser enormen Richtkraft soll daher im Folgenden erörtert werden, was Betriebsräte hierbei beachten müssen und wie eine inhaltliche Gestaltung solcher Zielvereinbarungen aussehen kann.


Was sind kollektivrechtliche Zielvereinbarungen?

Bei Zielvereinbarungen geht es darum, Leistungsziele für Arbeitnehmer zu definieren, die über einen festgelegten Zeitraum erfüllt werden sollen. Für das Erreichen des vereinbarten Ziels erhält der Arbeitnehmer dann eine Honorierung in Geld. Eine kollektivrechtliche Zielvereinbarung stellt dabei eine Absprache zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber über eine solche Leistungsvergütung der Arbeitnehmer dar. Hierdurch wird der Einsatz von Zielvereinbarungen im Unternehmen als Personalführungsinstrument geregelt, wobei lediglich allgemeine Kriterien und Rahmenbedingungen für künftige Zielvereinbarungen des Unternehmens ausgelotet werden.


Regelungsgegenstand der kollektivrechtlichen Zielvereinbarung

Wenn es zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung über Zielvereinbarungen kommt, muss der Betriebsrat wissen, welchen Inhalt eine solche Vereinbarung aufweisen sollte, um einerseits genügend Richtung und andererseits ausreichend Gestaltungsspielraum für individuelle Zielfindungen zu gewährleisten.


a) Erfolgsvoraussetzungen für Zielvereinbarungen

Als Regelungsgegenstand einer kollektivrechtlichen Zielvereinbarung sollten zunächst die Erfolgsvoraussetzungen für Zielvereinbarungen festgelegt werden. Hierbei wird vereinbart, dass sich alle Parteien zur erfolgreichen Umsetzung der Zielvereinbarungen auf bestimmte Eckpunkte verständigen, um das Erreichen der vereinbarten Ziele zu fördern und zu erleichtern. Hierzu gehören beispielhaft die Erweiterung der Handlungsspielräume der Arbeitnehmer, die Verbesserung des Informationsflusses, die Förderung des Kommunikationsverhaltens sowie die Schaffung von Strukturen, die den Zielvereinbarungsprozess unterstützen.

Der Betriebsrat sollte hierbei darauf achten, dass diese Klausel nicht zu eng formuliert wird. Vor allem sollte der Grundsatz der Freiwilligkeit manifestiert werden, der beinhaltet, dass die Vorgesetzten keinen Druck auf die Beschäftigten ausüben dürfen, eine Zielvereinbarung zu schließen. Hierzu gehört auch, dass dem Beschäftigten kein Nachteil entstehen darf, wenn er den Abschluss einer Zielvereinbarung ablehnt.


b) Ziele

Darüber hinaus sollten in der kollektivrechtlichen Zielvereinbarung allgemeine Kriterien für zukünftige Ziele festgelegt werden, damit die Arbeitnehmer später nicht mit überzogenen und unerreichbaren Zielen konfrontiert werden. Anforderungen für solche Ziele können dabei sein, dass diese koordiniert, realistisch, akzeptiert und messbar sind. Außerdem müssen diese während der regulären Arbeitszeit erfüllbar, durch den Mitarbeiter beeinflussbar und kongruent zu den Zielen des Unternehmens ausgerichtet sein.


c) Zielvereinbarungsgespräche

Da die kollektivrechtliche Zielvereinbarung als solche lediglich eine allgemeine Richtschnur darstellt und keine ausdrücklichen inhaltlichen Vorgaben aufweist, sollte auch eine Klausel bezüglich der zwingend notwendigen Zielvereinbarungsgespräche festgeschrieben werden. Diese werden im Allgemeinen zwischen Arbeitsgruppen beziehungsweise einzelnen Arbeitnehmern und ihrem Vorgesetzten stattfinden, wobei ab der Teamleiterebene in jedem Fall Einzelgespräche geführt werden sollten.


d) Kriterien der Zielvereinbarung und Zielstufen

Außerdem sollten unbedingt allgemeine Kriterien der Zielvereinbarung verankert werden, also welche Arten und Kategorien von Zielen es gibt, in deren Rahmen sich dann später die real ausgehandelte Zielvereinbarung der einzelnen Arbeitnehmer bewegen muss. Dies steht in engem Zusammenhang mit den oben genannten allgemeinen Zielbedingungen. Hierbei ist unbedingt ein Passus in die Klausel aufzunehmen, der besagt, dass Ziele vereinbart und nicht gesetzt werden. Insgesamt kann eine solche Klausel die Kriterien der Zielvereinbarung betreffend als Auflistung dargestellt werden. Als Zielarten kommen hierbei beispielsweise fachliche Ziele, teambezogene Ziele, individuelle Ziele, operative Ziele, organisatorische oder strategische Ziele und menschenorientierte Ziele in Betracht. Gerade für Mitarbeiter mit Führungsverantwortung sollte auch die Möglichkeit von Personalentwicklungs- oder Führungszielen in die Klausel aufgenommen werden.

Da künftig nicht zwangsläufig jedes Ziel eine ähnliche Priorität und Erreichbarkeit aufweisen wird, sollte auch die Möglichkeit von Zielstufen vom Betriebsrat bedacht und in die Betriebsvereinbarung niedergeschrieben werden. Hierbei sollte vereinbart werden, dass Führungskraft und Arbeitnehmer zur Messbarkeit der Zielerreichung gemeinsam Zielstufen festlegen.


e) Konfliktlösung

Häufig verläuft auch in Bezug auf Zielvereinbarungen nicht immer alles reibungslos. Dies kann durch verschiedene Einflusskriterien begünstigt werden. Vor diesem Hintergrund sollte der Betriebsrat bei Abschluss der Betriebsvereinbarung darauf achten, dass allen Parteien bei Verlangen die Möglichkeit gegeben wird, Gespräche zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem zu führen, um rechtzeitig eine Anpassung der Ziele an veränderte Rahmenbedingungen zu ermöglichen. Grundsätzlich sollten Zielvereinbarungen so ausgestaltet werden, dass sie bei Bedarf fortlaufend an geänderte Umstände angepasst werden können, wobei jede Korrektur der vereinbarten Ziele schriftlich festgehalten werden muss.

Für den Fall, dass Unstimmigkeiten zwischen Vorgesetzten und Arbeitnehmern über die Zielvereinbarungsgespräche hinaus fortbestehen, sollte der Betriebsrat unbedingt beachten, dass die Betriebsvereinbarung mit einer Klausel bezüglich des Umganges mit solchen Situationen ausgestattet wird. Hierfür kann die Möglichkeit eines Moderationsversuches unter Beteiligung eines Mitglieds der Personalabteilung und eines Betriebsratsmitglieds mit dem Ziel des Aushandelns eines für beide Seiten tragfähigen Kompromisses verankert werden. Für den Fall eines erfolglosen Moderationsversuches sollte dann dem nächsthöheren Vorgesetzten die Entscheidungsgewalt hierüber eingeräumt werden, um eine Streitbeilegung zu ermöglichen. In jedem Fall sind aber abweichende Meinungen von direkten Vorgesetzten und/oder Mitarbeitern zu dokumentieren. Auch sollte eine etwaige Klausel hierzu beinhalten, dass das Beschwerderecht des Arbeitnehmers entsprechend §§ 84, 85 BetrVG davon unberührt bleibt.


f) Inkrafttreten, Kündigung

Des Weiteren sollte noch bestimmt werden, wann genau die Betriebsvereinbarung in Kraft treten soll. Dies wird regelmäßig mit der Unterzeichnung der Fall sein. Es ist ratsam, auch eine Kündigungsmöglichkeit der Betriebsvereinbarung zu etablieren. Beispielsweise könnte die Möglichkeit der Beendigung der Betriebsvereinbarung durch Kündigung von beiden Seiten mit einer Frist von drei Wochen jeweils zum Jahresende abgefasst werden.


g) Salvatorische Klausel

Sollten einzelne Bestimmungen der Betriebsvereinbarung über Zielvereinbarungen unwirksam sein, ist für diesen Fall eine salvatorische Klausel ratsam. Hierdurch wird bestimmt, dass die Unwirksamkeit einer einzelnen Klausel nicht auch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen der Betriebsvereinbarung berührt. In diesem Zusammenhang sollte außerdem vereinbart werden, dass die Parteien in einer solchen Konstellation unmittelbar Verhandlungen aufnehmen werden, um für die unwirksame Klausel Ersatz in Form einer wirksamen Bestimmung zu finden.


Fazit

Wie die obigen Ausführungen verdeutlichen, bildet die Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über Zielvereinbarungen einen wichtigen Anhaltspunkt und Richtungsweiser im heutigen Arbeitsalltag. Sie stellt somit die Grundlage und das Fundament dar, auf dem alle zukünftigen Zielvereinbarungen des Unternehmens fußen. Vor diesem Hintergrund sollten Betriebsräte bei Abschluss dieser genauestens darauf achten, dass die Betriebsvereinbarung einerseits ihrem richtungsgebenden Charakter durch allgemeine Vorgaben gerecht wird, jedoch andererseits auch genügend Gestaltungsspielraum für individuelle Zielvereinbarungen und vor allem realistische Zielerreichungsaussichten bietet.



Bickenbach, den 23.01.2024

Mitgeteilt von
Praktikantin Alisa Olf
Dingeldein • Rechtsanwälte

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