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Die Macht der Vorsorgevollmacht

Die Grundzüge des Erbrechts sind sehr beständig, die letzte Reform war im Jahr 2010. Dennoch gibt es auch in diesem Rechtsgebiet zu speziellen Themengebieten hin und wieder bahnbrechende Urteile, so jüngst durch den Bundesgerichtshof am 27.01.2021 zum Thema Vorsorgevollmachten und hierdurch bevollmächtigte Betreuer.


Der Sachverhalt: gemeinschaftliches Testament

Streitgegenständlich war ein ehegemeinschaftliches Testament, von dem sich ein Ehepartner einseitig lösen wollte.

Mit dem Tod eines Ehepartners kann das gemeinschaftliche Testament nicht mehr einseitig widerrufen werden aufgrund der sogenannten Wechselbezüglichkeit. Sollte ausnahmsweise der letzte Wille mit dem Tod eines Ehepartners nicht "in Stein gemeißelt" sein, so muss dieser Wille ausdrücklich geregelt werden.

Zu Lebzeiten kann sich allerdings auch ein Ehepartner allein vom gemeinsam verfassten letzten Willen lösen. Dann muss der andere Ehepartner allerdings von diesem Widerruf in Kenntnis gesetzt werden. Dies ist juristisch nur möglich, wenn diesem Ehepartner eine Willenserklärung rechtswirksam zugehen kann, d.h. beide Ehepartner noch geschäftsfähig sind.


Der Rechtsstreit: einseitiger Widerruf

Problematisch in vorliegender Fallkonstellation war, dass der andere Ehepartner krankheitsbedingt nicht mehr geschäftsfähig war, sodass ein Widerruf des Testaments de facto ausgeschlossen war.

Das damals errichtete Testament entsprach aber nicht mehr dem aktuellen letzten Willen des Ehepaares.

Gemäß § 131 BGB kann in einem solchen Fall der Widerruf auch gegenüber dem gesetzlichen Betreuer des geschäftsunfähigen Ehepartners ausgesprochen werden.


Vorsorgevollmacht

Das Ehepaar hatte sich in vorliegendem Fall gegenseitig mittels Vorsorgevollmacht zur Vornahme sämtlicher Rechtsgeschäfte bevollmächtigt, um so das Einschalten eines gesetzlichen Berufsbetreuers auszuschließen.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass diese Vorsorgevollmacht ausreichend war, um eine Bevollmächtigung des eines Ehepartners zum Empfang des eigenen Widerrufs anzunehmen. Dies ist nur möglich, wenn in der Vorsorgevollmacht das sogenannte gesetzliche Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB ausgeschlossen wurde.


Fazit

Das Errichten einer Vorsorgevollmacht gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Rechtsprechung erkennt privatrechtlich vereinbarte Verbindlichkeiten an und stärkt somit den Willen des Einzelnen.

Dass sich im Bereich der Vorsorgevollmacht und der familiären Betreuung noch einige Neuigkeiten ergeben werden, zeigt das Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts bzgl. VV / Betreuung durch Ehegatten, das ab 2023 in Kraft treten soll.



Bickenbach, den 20.05.2021

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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