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Digitaler Nachlass – gegenwärtig, aber zumeist vernachlässigt.

Heute – im digitalen Zeitalter – hinterlassen viele Menschen nach ihrem Tod jede Menge Spuren im Netz. Und nicht nur das: Bei Privatpersonen gehen per E-Mail, bei Facebook und Twitter weiterhin Nachrichten ein. Ebay-Käufer erwarten Antwort, Paypal wartet auf Zahlungen für bestellte Waren. Vertragspartner buchen wegen Online-Verträgen und Abos vom Konto des Verstorbenen ab.

Bei digitalen Schlüsselfiguren im Betrieb können massive Probleme auftreten, wenn sie zuständig für den IT-Bereich und Social Media waren bzw. administrative Aufgaben innehatten und es keine aktuellen Dokumentationen über ihre Zugangsdaten gibt.


Keine gesetzliche Regelung

Im Gegensatz zum Erbrecht gibt es noch keine gesetzlichen Regelungen zum Umgang mit dem digitalen Nachlass. So haben Familienmitglieder nicht ohne Weiteres Zugriff auf den digitalen Nachlass eines nahen Verstorbenen, wenn sie keinerlei Zugangsdaten haben. Denn wegen der Privatsphäre verweigern Betreiber Dritten zumeist den Zugriff auf die Accounts der Social Media. Der Account kann höchstens abgeschaltet werden.

Auch für den Fall, dass das Profil beruflich genutzt wird, wird der digitale Nachlass stets von einer Privatperson hinterlassen. Deshalb darf ein Unternehmen nicht darauf zugreifen, wenn der Mitarbeiter z.B. verunglückt. Schaltet der Betreiber den Account nun ab, ist das gesamte Unternehmensprofil nicht mehr zugänglich. Damit sind z.B. bei Xing alle Kontakte und die Korrespondenz weg.


Folgen für die Familienangehörigen

Erbschaft ist ein vermögensrechtlicher Begriff, der bei Online-Zugangsdaten und Profilen in Social Media nicht greift. Das bedeutet, dass der digitale Nachlass nicht nach geltendem Recht vererbt werden kann. Verstirbt ein Angehöriger, kann kein Familienmitglied wegen z.B. einer gesetzlichen Erbfolge Accounts vom Verstorbenen schließen, Verträge beenden und online getätigte Käufe abschließen bzw. widerrufen.


Was Angehörige tun können

Derzeit ist die Überlassung des digitalen Erbe nur vertraglich möglich. In der Praxis bedeutet das: Hinterlässt der Verstorbene Zugangsdaten und Passwörter, kann davon ausgegangen werden, dass der Hinterbliebene diese verwenden darf. Diese "Grauzone" birgt natürlich auch Missbrauch.


Folgen für ein Unternehmen

Mangels gesetzlicher Regelung erbt niemand, auch nicht z.B. der Nachfolger des verstorbenen Mitarbeiter, den digitalen Nachlass. Häufig ist der Nachfolger jedoch auf Daten und Accounts angewiesen, um seine Arbeit fortzuführen. Im schlimmsten Fall kann es so passieren, dass so ein Unternehmen handlungsunfähig wird.


Was das Unternehmen tun kann

Das kann derzeit nur vermieden werden, indem ein Vertreter für diesen Fall bestimmt wird und dieser auch mit allen notwendigen Vollmachten und Informationen ausgestattet ist. Innerhalb eines modernen Unternehmens sollten daher betriebliche Vereinbarungen wie Vertretungsregelungen oder Notfallpläne geregelt werden. Diese sind wichtig, dass die Arbeit weitergeführt und Schäden verhindert werden können.


Vermischung von Geschäftlichem und Privatem

Manche Unternehmen gestatten Mitarbeitern private Internetnutzung sowie den privaten Gebrauch von Smartphones. So vermischt sich Geschäftliches und Privates. Doch es gilt: Alles, was privat ist, darf der Arbeitgeber nicht sehen, und was geschäftlich unter die besonders schützenswerten Daten fällt, der Erbe nicht. Daher sollte geregelt werden, wer unter welchen Umständen auf den digitalen Nachlass des Verstorbenen zugreifen darf.


Fazit

Handlungsbedarf besteht überall dort, wo IT genutzt wird - also mittlerweile überall. In Konzernen gibt es mehr zu regeln in der Familie. Fürs Unternehmen gilt: Kümmern Sie sich um eine betriebliche Vereinbarung. Für Angehörige gilt: Verwahren Sie Ihre Zugangsdaten und Passwörter an einem sicheren Ort, aber lassen Sie davon eine vertraute Person wissen.

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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