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Wann muss sich ein Schwerbehinderter offenbaren, wenn der Arbeitgeber noch keine Kenntnis von der Schwerbehinderung hat?

Ein Arbeitnehmer genießt besonderen Kündigungsschutz nach §85 SGB IX, wenn es sich bei ihm um einen schwerbehinderten Menschen nach §2 Abs.2 SGB IX handelt. Danach sind Menschen schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt. Den besonderen Kündigungsschutz genießen daneben auch Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30, die nach §2 Abs.3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen von der Agentur für Arbeit gleichgestellt wurden.

Der Arbeitgeber benötigt zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes nach §85 SGB IX. Dadurch soll verhindert werden, dass Schwerbehinderte wegen ihrer Schwerbehinderung eine Kündigung erhalten. Die ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Voraussetzung für das Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes nach dem SGB IX ist grundsätzlich das Vorliegen der Voraussetzungen des §2 II, III SGB IX, der Nachweis der Schwerbehinderung und die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderteneigenschaft.

Bei fehlender Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderteneigenschaft ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Mitteilung von der Anerkennung als schwerbehinderter Mensch oder einer Antragstellung beim Versorgungsamt zu machen (BAG, Urteil vom 11.12.2008, 2 AZR 395/07). Dann tritt der Sonderkündigungsschutz nachträglich ein. Zugleich muss auch der Schwerbehinderte innerhalb der 3 Wochen Frist die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Unterlässt der gekündigte Arbeitnehmer diese Mitteilung, dann besteht kein besonderer Kündigungsschutz, da der Arbeitgeber nicht mit der Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung rechnen musste.

Erhält der Arbeitgeber erst nach dem Kündigungszugang, aber innerhalb der Drei-Wochen-Frist von der Schwerbehinderteneigenschaft Kenntnis und hat er zu der ausgesprochenen Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts nicht eingeholt, ist die Kündigung nach §134 BGB i.V.m. §85 SGB IX unwirksam. Der Arbeitgeber muss dann die Zustimmung des Integrationsamts beantragen und nach deren Erteilung eine neue Kündigung aussprechen.

Die nachträgliche Mitteilung der Schwerbehinderteneigenschaft oder Antragstellung ist entbehrlich, wenn die die Schwerbehinderung begründende Behinderung offensichtlich ist, (BAG, NZA 2002, 1145).

präsentiert von Kanzlei Dingeldein Rechtsanwälte

Mitgeteilt von
Alexa Kälberer, Wirtschaftsjuristin
Dingeldein • Rechtsanwälte

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