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Der Pflichtteil und der Pflichtteilsergänzungsanspruch

Das Gesetz möchte verhindern, dass mittels testamentarischer Zuwendung nahe Angehörige vom Erbe ausgeschlossen oder benachteiligt werden. Daher steht ihnen ein gesetzlicher Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zu.


Der Pflichtteilsanspruch

Wurde jemand vom Erblasser im Wege seines Testaments ausgeschlossen, hätte er aber nach gesetzlicher Erbfolge wegen seiner Verwandtschaft zum Erblasser geerbt, steht ihm dennoch ein Pflichtteil zu. Konkret: Hat der Erblasser zwei Kinder, wendet aber testamentarisch sein ganzes Erbe nur einem Kind zu, kann das andere Kind seinen Pflichtteilsanspruch gegenüber seinem Geschwisterteil geltend machen. Der gesetzlich festgelegte Pflichtteilsanspruch beträgt immer die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Im vorgenannten Beispiel würde der gesetzliche Erbteil der Kinder jeweils 1/2 betragen, somit der Pflichtteilsanspruch des enterbten Kindes 1/4. Die Höhe des Pflichtteils verringert sich für den Fall, dass der Erblasser verheiratet ist.


Der Pflichtteilsergänzungsanspruch

Einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung hat der Erbe gegen alle anderen Erben, wenn sein Erbteil geringer ausfällt, als die Höhe des gesetzlichen Pflichtteils betragen würde. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Erblasser vor seinem Tod einen wesentlichen Teil seines Vermögens verschenkt. Da sich hierdurch die Erbmasse verringert, wird der Zuwendungswert dem Nachlass hinzugerechnet und der benachteiligte Erbe erhält Anspruch auf einen Geldersatz entsprechend der Pflichtteilsquote. Dies wird im Rahmen der Pflichtteilsergänzung unter bestimmten Voraussetzungen berücksichtigt. Aber auch, wenn ein Erbe enterbt wird, kann er einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen die anderen Erben geltend machen, um seinen Nachteil im Wege der Pflichtteilsergänzung auszugleichen.

Das Gesetz sieht grundsätzlich vor, dass für jedes Jahr, das zwischen schenkweiser Übertragung und Erbfall liegt, eine Abschmelzung vom Zuwendungswert in Höhe von 1/10 vorzunehmen ist. Dies gilt aber nicht, wenn der Zuwendende sich großzügig Rechte vorbehalten hat, wie z.B. ein im Grundbuch eingetragenes Nießbrauchrecht am Haus oder eine notariell beurkundete Rückauflassungsvormerkung bei Verschenkung eines Grundstücks.

Um den Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen zu können, ist der benachteiligte Erbe berechtigt, über jede (un-) entgeltliche Zuwendung des Erblassers zugunsten eines anderen Auskunft zu verlangen.

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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