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Darf der Arbeitnehmer sein Gehalt preisgeben?

Wie weit die Geheimhaltungspflicht hinsichtlich des Gehalts gilt, kommt darauf an, ob sie sich aus einer gesetzlichen Regelung ableiten lässt, sie sich aus der Natur der Sache ergibt oder sie in einer Verschwiegenheitsklausel im Arbeitsvertrag festgehalten wurde. In letzterem Fall muss die Klausel allerdings wirksam sein.


Die gesetzliche Regelung

Teilbereiche der Verschwiegenheit im Arbeitsverhältnis sind gesetzlich geregelt: So sieht § 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe für den Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen vor.

Nach allgemeinem Verständnis beziehen sich Betriebsgeheimnisse auf den technischen Betriebsablauf, während Geschäftsgeheimnisse den allgemeinen Geschäftsverkehr betreffen. Von den Begriffen können daher unter anderem technisches Know-how, Herstellungsverfahren und Rezepturen, Umsätze, Preiskalkulationen oder Kundendaten erfasst sein.

Unabhängig davon ergibt sich aus der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sowie der Berufsordnung der Rechtsanwälte die Pflicht zur Verschwiegenheit über Mandate, es sei denn, es liegt eine explizite Einwilligung des Mandanten vor.


Die Verschwiegenheitspflicht aus der Natur der Sache

Doch auch solche vertrauliche Angaben, die nicht gesetzlich geschützt werden, fallen unter die arbeitsvertragliche Schweigepflicht, wenn dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis Tatsachen bekannt werden, deren Geheimhaltung dem erkennbaren Willen und einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers entspricht und sich daher aus der Natur der Sache ergibt. Das ist beispielsweise der Fall bei geplanten Büroschließungen, Deequitazation oder internen Querelen.


Die Verschwiegenheitsklausel als sicherste Variante

Zur Vermeidung von Missverständnissen und zum effektiven Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie der vertraulichen Angaben sollte der Arbeitgeber eine Verschwiegenheitsklausel im Anstellungsvertrag aufnehmen. Das gewährleistet eine Sensibilisierung des Arbeitnehmers.

Allgemein ist anerkannt, dass die Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers über das gesetzliche Maß hinaus durch Arbeitsvertrag erweitert werden kann. Den vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten sind dabei jedoch in zweierlei Hinsicht Grenzen gesetzt:

Grenzen der Klauselgestaltung: AGB-Kontrolle
1. Interessenabwägung
Zum einen hat die Rechtsprechung schon immer den Umfang der Verschwiegenheitspflicht einer AGB-Kontrolle unterzogen. D.h. es erfolgt eine Interessenabwägung zwischen dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an einer vertraglichen Erweiterung der Geheimhaltungspflicht mit den entgegenstehenden Interessen des Arbeitnehmers an einer Verwendung.

2. keine unangemessene Benachteiligung
Zum anderen dürfen arbeitsvertragliche Regelungen keine unangemessene Benachteiligung darstellen und müssen somit dem Transparenzgebot entsprechen. D.h. eine arbeitsvertragliche Regelung muss mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, was erlaubt und was verboten ist.


Unwirksamkeit sog. „All-Klauseln“

Wegen diesen beiden Schranken der Vertragsgestaltung sind vor allem sogenannte "All-Klauseln" unwirksam, die die Verschwiegenheitspflicht auf sämtliche geschäftlichen und betrieblichen Tatsachen ausdehnen, die dem Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses bekannt werden. An ihre Stelle müssen detaillierte und differenzierte Regelungen zur Erweiterung der Verschwiegenheitspflicht treten, die sich eng an den berechtigten wirtschaftlichen Geheimhaltungsinteressen in konkreten Unternehmen orientieren. Dies setzt eine differenzierte Vertragsgestaltung mit einer konkreten Bezeichnung oder Umschreibung der geheimhaltungsbedürftigen Informationen voraus.


Besser schweigen über besonders hohes Gehalt

Ein besonderes Phänomen sind vertragliche Regelungen über die Geheimhaltung des Inhalts des Arbeitsvertrages, insbesondere über die Höhe der Vergütung.


Die gerichtlichen Grundsatzentscheidungen

So hatte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urt. v. 09.07.1975, Az 6 Sa 185/75) die Kündigung eines Mitarbeiters in der Probezeit als wirksam erachtet, der verbotswidrig sein (besonders hohes) Gehalt gegenüber Kollegen offenbart und damit den Betriebsfrieden gestört hatte.

Das Bundesarbeitsgericht (Beschl. v. 26.02.1987, Az 6 ABR 46/84) hat zudem festgestellt, dass eine systematische Auswertung von Gehaltsdaten der gesamten Belegschaft als Teil der betriebswirtschaftlichen Kalkulation im Einzelfall ein Geschäftsgeheimnis darstellen könne. Dieses Geschäftsgeheimnis durfte der Betriebsrat nicht durch Aushang (betriebs-) öffentlich machen.


Keine Generalisierung: Einzige Möglichkeit der Erkennung von Ungleichbehandlung

Diese beiden älteren Entscheidungen rechtfertigen aber eine generelle und undifferenzierte vertragliche Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich des Gehaltes dennoch nicht.

Dies hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 21.10.2009, Az 2 Sa 237/09) mittlerweile festgestellt. Im Streitfalle musste ein Arbeitgeber die erteilte Abmahnung wegen Verstoßes gegen die vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung hinsichtlich des Gehaltes aus der Personalakte entfernen. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Verschwiegenheit über das eigene Gehalt bestehe nicht, zumal der Austausch unter Kollegen die einzige Möglichkeit darstelle, etwaige Ungleichbehandlungen zu erkennen.


Doch Vorsicht ist geboten

Geheimhaltungspflichten kann es gleichwohl geben: Auch, wenn Gehälter in großen Unternehmen inzwischen weitgehend veröffentlicht und an Kriterien – z.B. Abschlussnote oder abgeschlossene Promotion – gebunden sind, kann die individuelle Situation im Einzelfall doch zu einer unterschiedlichen Behandlung führen.


Folgen der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht

Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann – ggf. neben strafrechtlichen Folgen – eine Abmahnung, Kündigung oder möglicherweise sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Darüber hinaus kommen Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer in Betracht.

Nicht immer lassen sich allerdings konkrete Schäden nachweisen, sodass durch eine Vertragsstrafe die Verschwiegenheitspflicht abgesichert werden kann. Hier sollte der Arbeitgeber allerdings der Versuchung widerstehen, die Vertragsstrafe zu Zwecken der Abschreckung besonders hoch anzusetzen. Auch die Vertragsstrafe kann den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen und damit unwirksam sein, wenn sie mit Blick auf den abgesicherten Schaden eine unzulässige „Übersicherung“ des Arbeitgebers darstellt.

Mitgeteilt von
RAin Änne Dingeldein
Dingeldein • Rechtsanwälte

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