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Anrechnung von Arbeitslosengeld I auf eine Karenzentschädigung?

Die Parteien eines Arbeitsverhältnisses haben die Möglichkeit, in Bezug auf den Arbeitnehmer ein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren. Voraussetzung für die Wirksamkeit eines solchen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist die Zahlung einer sog. Karenzentschädigung. Dabei handelt es sich um das Entgelt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dafür zu zahlen hat, dass dieser nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für einen bestimmten Zeitraum seinem bisherigen Arbeitgeber weder selbst Konkurrenz macht noch für einen Konkurrenten arbeitet.

§ 74c I des Handelsgesetzbuchs bestimmt dabei, dass ein während des Wettbewerbsverbots erzielter anderweitiger Verdienst anzurechnen ist. Voraussetzung für eine Anrechnung ist allerdings, dass die neue Einnahmequelle zusammen mit der Karenzentschädigung mehr als 110 % der beim Arbeitgeber zuletzt bezogenen Brutto-Gesamtvergütung darstellt. Der Arbeitnehmer darf sich somit während des Wettbewerbsverbots finanziell verbessern; nicht jedoch um mehr als 10 %.

In der Praxis ist häufig das Problem aufgeworfen, wie in diesem Zusammenhang der Bezug von Arbeitslosengeld I zu bewerten ist. Zum einen stellt sich die Frage, ob Arbeitslosengeld I grundsätzlich einen anrechenbaren Verdienst darstellt; immerhin handelt es dabei um keinen Verdienst im klassischen Sinne. Sollte das Arbeitslosengeld I dem Grunde nach anzurechnen sein, ist zudem fraglich, ob nur der an den Arbeitslosen geflossene Auszahlungsbetrag relevant ist, oder auch Steuern und Sozialabgaben hinzuzurechnen sind.

Mit großem Interesse wurde vor diesem Hintergrund ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.09.2011 (Az.: 10 AZR 198/10) zur Kenntnis genommen. Diesem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Geklagt hatte ein Ex-Außendienstmitarbeiter, der die Hälfte seiner letzten Brutto-Vergütung als Karenzentschädigung geltend machte. Sein ehemaliger Arbeitgeber weigerte sich jedoch, die volle Karenzentschädigung zu zahlen. Er berief sich darauf, dass das gezahlte Arbeitslosengeld zuzüglich fiktiv von ihm hinzugerechneter Steuern und Sozialabgaben die Grenze von 110 % der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen Gesamt-Vergütung übersteigen würde.

Der Arbeitnehmer klagte den einbehaltenen Differenzbetrag ein und hatte damit in sämtlichen Instanzen Erfolg. Zwar ließ das BAG die grundsätzliche Frage, ob Arbeitslosengeld ein auf die Karenzentschädigung anrechenbarer Verdienst ist, offen. Jedoch urteilte es, dass selbst dann, wenn das Arbeitslosengeld anzurechnen sei, jedenfalls nur der effektiv an den Arbeitnehmer ausgezahlte Betrag maßgeblich sei. Eine fiktive Hinzurechnung von Steuern und Sozialabgaben sei unzulässig. Die Konsequenz hieraus war, dass die Summe aus Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung die 110 %- Schwelle nicht überstieg.

Der Umstand, dass auf den effektiv an den Arbeitnehmer ausgezahlten Betrag abzustellen ist, hat zur Konsequenz, dass in der Praxis kaum Fälle denkbar sind, in denen der Bezug von Arbeitslosengeld I zur Kürzung einer Karenzentschädigung führen kann. Da die Karenzentschädigung sozialversicherungsfrei ist, kann ein Arbeitsloser deshalb durch Karenzentschädigung und Arbeitslosengeld mehr erhalten, als zuletzt bei seinem ehemaligen Arbeitgeber. Der Umstand, dass eine Person einen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung hat, führt umgekehrt auch nicht zu Nachteilen beim Bezug von Arbeitslosengeld I.

präsentiert von Kanzlei Dingeldein Rechtsanwälte

Mitgeteilt von
Christian John, Rechtsreferendar
Dingeldein • Rechtsanwälte

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